Beurteilung der Evidenz und Empfehlungen
Die Qualität der vorhandenen Evidenz wird allgemein in Graden angegeben, woraus dann Grade der Empfehlung abgeleitet wurden.
Eine gute Einteilung ist die der Oxforder Arbeitsgruppe, die sich aber in den letzten Jahren als untauglich erwiesen hat. Die Klassifikation ist nicht eindeutig und trennscharf genug, um sinnvoll angewendet zu werden.
Diese Mängel erkennend wurde von einer Schottischen Arbeitsgruppe (SIGN) ein neues System eingeführt, das sich als sinnvoll und praktikabel erwiesen hat.
Aufbauend auf SIGN konstituierte sich die GRADE Working Group, die sich zum Ziel gesetzt hat, ein funktionstüchtiges Evaluationsinstrument von systematischen Reviews zu entwickeln.
Die Entwicklung von Leitlinien sollte nach GRADE mit einer klaren Formulierung von Fragen oder Problemen beginnen, ein unabhängiges und kompetentes Panel konstituieren und die Vorgehensweise festlegen. Für alle relevanten Zielkriterien wird die beste verfügbare Evidenz gesucht und für jedes Zielkriterium ein Profil erstellt (Subpopulationen, Risikostratifizierung, Studienqualität). Danach wird für jedes Zielkriterium die Qualität der Evidenz und ihre klinische Relevanz (sehr bedeutend oder nur bedeutend) bestimmt. Die gesamte Qualität der Evidenz berücksichtigt alle Zielkriterien. Zusätzlich wird die Balance zwischen den Vor- und Nachteilen eingestuft sowie Benefit und Kosten gegenübergestellt. Aus allen Bewertungen wird dann eine einfache Gesamtempfehlung abgegeben.
Grade der Gesamtevidenz
Hoch | Weitere Forschung wird wahrscheinlich unser Vertrauen in die Wirkung nicht ändern. |
Mittel | Weitere Forschung wird wahrscheinlich unser Vertrauen in die Wirkung und das geschätzte Ausmaß ändern. |
Gering | Weitere Forschung wird sehr wahrscheinlich unser Vertrauen in die Wirkung und das geschätzte Ausmaß ändern. |
Sehr gering | Jede Schätzung eines Therapieeffektes ist sehr unsicher. |
Die Beschreibung der Evidenzgrade weist bereits daraufhin, dass es sich um die Gesamtbeurteilung der Evidenz handelt und nicht nur um eine Auflistung der Studienarten.
Evidenz von Studien
Hoch | Randomisierte Studie |
Niedrig | Beobachtungsstudien |
Sehr niedrig | Jede andere Evidenz |
Die Studien werden zusätzlich nach den folgenden Kriterien höher oder niedriger qualifiziert:
Bewertung | Kriterium |
-1 | Schlechte Studienqualität |
-2 | Sehr schlechte Studienqualität |
-1 | Relevante Inkonsistenz |
-1 | Unsicherheit über Anwendbarkeit |
-1 | Ungenaue oder zu wenig Daten |
-1 | Hohes Biasrisiko |
+1 | Starker und konsistenter Hinweis aus zwei oder mehr Beobachtungsstudien mit RR <0,5 oder >2, ohne Hinweis von Confounders |
+2 | Sehr starker und konsistenter Hinweis aus zwei oder mehr Beobachtungsstudien mit RR <0,2 oder >5, ohne Hinweis von Confounders |
+1 | Hinweise auf einen Dosis-Antwort-Gradienten |
+1 | Alle plausiblen Confounders hätten den Effekt vermindert. |
Bevor eine Empfehlung abgegeben werden kann, sollten die Vor- und Nachteile abgewogen werden. Dazu wird folgende Einteilung empfohlen:
Nettobenefit | Die Vorteile überwiegen eindeutig |
Bedingter Vorteil | Es gibt neben den überwiegenden Vorteilen auch relevante Nachteile |
Unsicherer Vorteil | Es ist nicht eindeutig, dass die Vorteile überwiegen. |
Keine Nettobenefit | Die Vorteile überwiegen nicht. |
Unter Berücksichtigung aller genannter Faktoren (Abwägen der Vor- und Nachteile, Qualität der Evidenz, Berücksichtigung der realen Umsetzung in der klinischen Praxis, Unsicherheit über das allgemeine Risiko des betroffenenenPatienten) sollte eine eine eindeutige Empfehlung abgegeben werden, die in zwei Gruppe eingeteilt wird:
Mach es oder mach es nicht! | Dieses Gesamturteil wird von den allermeisten aus den Fakten gezogen. |
Erwäge es oder erwäge es nicht! | Dieses Urteil wird von der überwiegenden Mehrheit abgegeben, aber von einigen nicht. |